Deutschland - Ein Teil davon...
Deutschland - Entdeckung der Heimat
Mit Spannung habe ich das Buch "Die Deutschland-Entdecker - Eine unglaubliche Reise durch unsere Heimat" gelesen und habe mir gedacht, dass man dieses wunderschöne Land tatsächlich viel zu wenig kennt. Also wurde eine Reise über die Fernradwege Deutschlands geplant. Ausgangspunkt meiner Reise ist Berlin. Dank Faltrad ist diese Stadt für mich sehr gut mit dem ICE erreichbar.Allgemeine Angaben
Anreise nach Berlin am 21.05.2016. Übernachtung in der Unterkrunft Berl Inn.
Gesamt-Kilometer: 1.240 km mit dem Tern Verge S27h.
Etappen
Tag | Etappe | Entfernung |
Tag 0, 21.05.2016 | Entspannung in Berlin | - |
Tag 1, 22.05.2016 | Berlin - Zootzen | 94,24 km |
Tag 2, 23.05.2016 | Zootzen - Krakow am See | 133,72 km |
Tag 3, 24.05.2016 | Krakow am See - Barnekow | 107,59 km |
Tag 4, 25.05.2016 | Barnekow - Seedorf | 114,95 km |
Tag 5, 26.05.2016 | Seedorf - Hamburg Ochsenwerder | 93,86 km |
Tag 6, 27.05.2016 | Hambug Ochsenwerder - Cuxhaven | 139,17 km |
Tag 7, 28.05.2016 | Cuxhaven - Varel Dangast | 97,50 km |
Tag 8, 29.05.2016 | Varel Dangast - Westoverledingen | 98,26 km |
Tag 9, 30.05.2016 | Westoverledingen - Salzbergen | 129,88 km |
Tag 10, 31.05.2016 | Salzbergen - Haltern am See | 124,12 km |
Tag 11, 01.06.2016 | Haltern am See - Wuppertal | 106,84 km |
Video zur Tour
Tag 0: Entspannung in Berlin
Berlin, Berlin, ... wir fahren nach Berlin.
5:58 Uhr fährt der ICE aus Karlsruhe nach Berlin. Ich steige am Bahnhof aus dem Aufzug und stehe vor meinem Zug. Noch besser: ich stehe direkt vor dem richtigen Wagen, in dem mein reservierter Platz zu finden ist. Also alles vom Rad abbauen, die Kleine zusammenfalten und dann den ganzen Zinnnober in den Zug wuchten.
Ein ICE Typ 2 verfügt leider nicht über schöne geräumige Gepäckabteile, wie seine modernen Kollegen. Also bleibt das Faltrad am Eingang des Zugs stehen. Gefällt dem Herrn Zugbegleiter nicht wirklich aber ich kann es nicht ändern – er auch nicht, mangels Alternativen. In Mannheim füllt sich der Zug dann langsam. Dazu kommen noch zwei Junggesellenabschiede, die sogar lauthals über die Lautsprecher des Zugs angekündigt werden. Nunja, alles in allem verläuft die Fahrt aber recht ruhig.
Ungewöhnlich, aber der Zug erreicht Berlin pünktlich – ich weiß, ich habe damit auch nicht gerechnet. Gegen halb zwölf bin ich vor Ort, klöppel am Bahnsteig wieder alles zusammen. Dann die Fahrt mit dem Aufzug in das Erdgeschoss des Berliner Hauptbahnhofs. Sag mal, wer hat denn dieses lahmen Fahrstühle konstruiert? Dauert ja beinahe genauso lange wie die Fahrt von Karlsruhe hier her.
Der Bahnhof ist voller grölender Fans. Aha. Fußball. Oh, Endspiel. Bayern gegen Dortmund, soviel erkenne ich wohl. Ich drehe mit dem Rad eine Runde um den Reichstag, dann zur Siegessäule und dann an die Spree. Ich lese ein wenig, lasse mir etwas Zeit, bevor ich zur Pension aufbreche.
Gegen 14 Uhr wollte ich dort ankommen. 5 km vor meinem Ziel bimmelt das Handy. Die Pension Berl Inn erwarte mich, weil die gute Dame um 14 Uhr Feierabend macht. Also Gas geben. Mit 20 Minuten Verspätung komme ich an. Kurz vor dem Ziel gibt es nen laut hörbaren Knack von hinten. Dieses Geräusch kann ich aber noch nicht einordnen. Naja. Alles dran, alles fährt, wird wohl nicht so schlimm sein. Die Pension Berl Inn möchte locker flockige 90 Euro haben. Nachfrage bestimmt wohl im Moment den Preis. Schwamm drüber, ich habe Urlaub.
Ich hau mich zwei Stunden aufs Ohr, danach noch kurz zum Supermarkt und was Essbares organisieren. Und nun? Richtig, ab aufs Rad und eine Runde um den Tegeler See. Ich muss ehrlich gestehen, dass Tegel ein sehr schöner Stadtteil ist und mir sehr gut gefällt. An einem Plätzchen mit schöner Aussicht esse ich etwas. Danach wird an der Fish & Chips Bar noch ein Alsterwasser getrunken. 22 Uhr sind die Lichter bei mir aus. Berlin zu verlassen wird mir nicht ganz leicht fallen.
Tag 1: Von Berlin nach Zootzen
Pünktlich um 8:00 Uhr gehe ich frühstücken und bekomme meinen georderten Kaffee. Juhu, das klappt. Eine Stunde später ist das Huhn gesattelt und der einsame Cowboy verlässt die fremde Stadt. Der Norden Berlins hat traumhaft schöne Stadtteile. Die gepflasterten Straßen gefallen meinem Rad nicht sooooo gut, mir dafür aber umso mehr.
Raus aus Berlin kreuze ich kurz den Mauerradweg. Dann kommt auch bald schon der Fernradweg Berlin – Kopenhagen, der mich eine Weile begleiten wird. Heute führt der Weg immer schön nah an der Havel entlang.
Nach gut 25 km muss ich mal kurz den Gepäckträger verstellen, denn die rechte hintere Tasche drückt auf das Schaltauge der Nabenschaltung und sorgte bereits kurz nach dem Start für ne Vollbremsung, da mir ein Teil der Schutzabdeckung der Schaltung weggeflogen ist. Ich baue alles wieder an, schaue mir das Werk an. Stirnrunzeln. Die linke hintere Tasche wackelt verdächtig. Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen: da fehlt ne Schraube. Das dürfte das „Peng“ von gestern gewesen sein. Oh man, und nun? Die Tasche baumelt da munter vor sich hin. So kann ich doch nicht fahren. Wie gut, dass Tern einen massiven Gummizug zum Gepäckträger mitgeliefert hat. Für’s erste sollte diese Konstruktion halten.
Mit Rückenwind folge ich der Havel durch beschauliche kleine und verschlafene Orte. Eigentlich traurig, dass in den ländlichen Gebieten kaum was los ist.
Wie immer zu Beginn einer langen Tour sind die letzten 20 km des ersten Tages etwas zäh und ziehen sich wie Kaugummi. Und dieses Mal werden die letzten 3 km nahezu umhauend. Irgendwer hat entschieden, feinen Sandstrand auf den Weg zu kippen. Mit Gepäck geht einem da ganz schön der Stift, wenn das ganze Rad zu einer einzigen unkontrollierbaren Suppe wird. Ziel erreicht. Laut Navi. Ich stehe irgendwo am Stolpsee und sehe eine Jugendherberge. Keine Lust auf lange Forschungsarbeiten, um die Rezeption zu identifizieren. Ein Blick aufs Navi verrät mir, dass in der Nähe ein weiterer Campingplatz zu finden ist. Dumm nur, dass ich den ganzen Sandweg wieder zurück muss – und sogar noch etwas weiter.
Ich komme dem angeblichen Platz immer näher und will das Navi schon verfluchen, denn ich vermute, dass in dieser gottverlassenen Gegend niemals ein Campingplatz sein kann. Was dann aber kommt, haut selbst nen erfahrenen Camper aus den Socken.
Ich werde von den Gästen des Campingplatzes freundlichst begrüßt und instruiert, wo ich mich melden kann. Das Wort Rezeption klingt hier irgendwie fremd. Man sagt wohl Anmeldung. Ein älterer Herr empfängt mich und spricht mich die ganze Zeit im Pluralis Majestatis an. Nachdem alle Formalitäten erledigt sind (niemand hat mir bisher so liebevoll die Funktionsweise einer Dusche auf dem Campingplatz erklärt), zeigt er mir meinen Platz auf den Havel-Terrassen. Natürlich in Wurf-Weite zu seinem Wohnwagen. Ist auch nötig, weil er mir am folgenden Morgen einen Kaffee machen möchte.
Zelt aufbauen. Liege aufbauen. Liege wieder abbauen, da das ganze Geraffels zusammengebaut nicht durch die „Tür“ passt und drinnen bei wohliger Wärme nochmal zusammenbauen.
Duschen und dann ab an den Kiosk. Ein Radler, ein Schnitzel mit Kroketten, ein Radler, einer Currywurst. Wurst mit Brot für 1,50 €. Das sind Preise hier, Wahnsinn. Dann runter an die Havel und den Tag ausklingen lassen.
Tag 2: Von Zootzen nach Krakow am See
7:00 Uhr aufstehen, gegen 8:00 Uhr ist alles verpackt. Der Platzwart schaut schon um die Ecke und fragt, wann ich denn meinen Kaffee haben möchte. 15 Minuten später habe ich in der Dauercamper-Parzelle meinen Kaffee. Ich muss sagen, dass der Camping-Verein hier in Zootzen wohl einer der schönsten Plätze ist, auf denen ich je war. Drum fahre ich auch nicht ganz so gerne. Aber das Programm ist stramm. Knapp 130 km stehen heute auf dem Programm. Da muss geklotzt werden.
Die ersten Meter geht es über den Zuckersand. Dann geht es auf die Buckelpiste. Und das kann man durchaus wörtlich verstehen, und zwar in vielerlei Hinsicht. Wie kann man nur so löchrige Straßen bauen? Wobei nein, nicht ganz richtig. Es geht ja hoch und runter. Mehr hoch als runter, das kann aber auch nur so ein Gefühl sein.
Hoch ist die Straße tip top. Geht es runter und man könnte man auf Geschwindigkeit kommen, häufen sich die Schlaglöcher. Man ich Angst um meine Kleine. Dann kommt noch was Nettes hinzu: Gegenwind. Nach gut 30 km und beinahe zwei Stunden auf der Uhr vergeht mir ein wenig die Lust. In einem kleinen Örtchen suche ich einen Bäcker auf. Endlich was zu Essen. Ein Brötchen, ein Espresso und ein Stück Kuchen später bin ich wieder fit.
Beim Essen konnte ich noch den I-Dötzchen zusehen, wie sie sich über mein „riesiges“ voll bepacktes Fahrrad amüsieren, dann überhole ich sie schnell. Dann geht es über Stock und Stein vorbei an verschlafenen Orten. Immer schön auf dem Fernradweg Kopenhagen Berlin. Wie Mecklenburg-Vorpommern es allerdings schafft, die schönsten Radwege mit denen zu kombinieren, die das Rad im wahrsten Sinne des Wortes beinahe zusammenklappen lassen, ist mir ein Rätsel.
Es folgt ein nahezu 10 km langes Waldstück, das mir wirklich den letzten Nerv raubt. Nur noch 30 km, das müsste doch zu schaffen sein. Berg hoch und Gegenwind, wird ja immer besser. Ich halte durch und irgendwann ist es dann auch tatsächlich vollbracht. Allen Gegenwind-Göttern zum Trotz habe ich meinen vorgesehenen Campingplatz erreicht.
Dann das übliche Prozedere: Aufbauen, Mensch werden. Da es auf dem Platz selbst nichts zu essen gibt, muss ich noch mal auf den Bock und in die Stadt. Wieder einmal bin ich darüber schockiert, dass Orte ausschließlich vom Tourismus leben und außerhalb der Saison sämtliche Bürgersteige hochgeklappt werden. Das ist mir zwar auf der Fahrt von Berlin nach Zootzen schon aufgefallen, deutlich wird es aber erst hier. Gaststuben, deren Küche um 20 Uhr schließt. Ganz tolle Idee. Es hat nur sehr wenig auf, aber ich finde mein Essen. Ich muss mich nur etwas beeilen, denn es zieht ein Gewitter auf. Und so entstehen diese Zeilen, während der Regen auf das Zelt prasselt. Hoffentlich hält es dicht…
Tag 3: Von Krakow am See nach Barnekow
Dieses neue Feldbett und das Kissen sind aber auch kuschelig und gemütlich. Ich mag heute gar nicht aufstehen und schlafe bis kurz vor halb acht. Duschen und abbauen müssen also heute etwas zügiger gehen. So schaffe ich es bis knapp halb neun aufs Rad. Ziel für heute: das Elternhaus. Doch hinter Krakow am See beginnt wieder mein heiß geliebtes auf und ab. Wer hat diese ganzen Hügel in die Landschaft gezimmert?
In Güstrow schaffe ich dann, mir ein Café zu suchen, das mir ein ordentliches Frühstück mit Rührei macht. Bis hierher lief es solala, ich brauche jetzt definitiv meine Stärkung. Danach noch einen Espresso und ein Stück Rhabarberkuchen und die Welt ist wieder in Ordnung. Was mir nicht so gefällt ist das, was ich beobachte. Irgendwie bezeichnend für den Osten der Republik, das in der Stadt, in der ein wenig was los ist ausgerechnet nur alte Menschen, kranke Menschen oder alte kranke Menschen durch die Gegend laufen. Ein Landstrich, der sich wohl über kurz oder lang selbst abschafft.
Sinnieren wir nicht weiter – fahren wir weiter. Der Weg soll heute noch ein paar Überraschungen bereithalten. Zunächst überholt mich ein Auto in Bützow um dann kurz vor mir rechts abzubiegen. Führt zu einer Vollbremsung meinerseits und zu Kopfschütteln anderer Verkehrsteilnehmer, aber die gute Dame lässt sich nicht beirren. Wieso auch, sie hat ja das stärkere Gefährt.
Zum Gegenwind gesellt sich nämlich noch 100% Luftfeuchtigkeit in ganz ganz feinen Tröpfchen. Dazu noch ein Waldweg, der mehr als beschissen zu fahren ist. Zum Schluss darf ich mir dann auch noch meine ganz persönliche Pfütze aussuchen. Drum herumfahren ist hier nicht.
Irgendwann nähere ich mich dann bekannten Orten und die Vorfreude auf die Eltern und die Heimat steigt merklich. Der Marienkirchturm von Wismar ist zu sehen, ein Foto konnte ich jedoch nicht machen, weil es so diesig war.
Noch den letzten Ort passieren – ja Herr Nachbar, ich bin es da auf dem Rad – schau Du lieber nach vorn. Zu Hause angekommen erwartet mich das Rundum-Wohlfühlprogramm. Mein Vater spielt den Schraubenkönig und in Null-Komma-Nix ist der Gepäckträger für jeden Atomkrieg gewappnet. Meine Mutter kümmert sich um mein leibliches Wohl und so fehlt es an diesem Abend an nichts. Solltet ihr beiden das hier lesen, an der Stelle noch mal einen ganz lieben Dank!
Tag 4: Von Barnekow nach Seedorf
Heute Morgen muss ich mich um nichts kümmern. Wahnsinn. Deftiges Frühstück und dann kommt das, was man nicht so mag: Abschied. Es geht Richtung Ostsee. Ein paar Kilometer Richtung Beckerwitz und meine Nabenschaltung möchte keine Schaltbefehle mehr entgegennehmen. Na das läuft ja. Im ersten Moment kann ich nicht einordnen, welches Problem vorliegt. Dann fällt es mir ein: Der Zugstab für die Nabe hat sich herausgedreht. Tja, mit Schrauben habe ich es wohl im Moment. Doch dieses Problem wird beim nächsten Halt behoben.
Dann geht es ab Beckerwitz mal wieder auf eine Buckelpiste Richtung Travemünde. Puh ist das anstrengend. Eine Schussfahrt zeigte knapp über 50 km/h auf dem Tacho. Sollte noch irgendjemand sagen, Mecklenburg sei flach, dem lege ich den Ostseeküstenradweg genau auf diesem Teilstück ans Herz.
Etwa 10 km vor Travemünde tauch plötzlich wie aus dem Nichts ein Imbiss auf. Anker werfen und Backfischbrötchen bestellen. Darauf habe ich jetzt irgendwie große Lust. Ein älterer Herr sitzt an einem Tisch und sagt: „Das ist aber ein niedliches Fahrrad. Sowas hab‘ ich ja noch nie gesehen.“ Daraufhin kommen wir ins Gespräch und er erzählt mir, dass er seit mehreren Jahren Radtouren fährt. Die letzte ging wohl an der Donau entlang bis nach Rumänien – oder war es noch weiter? Ich weiß es nicht mehr. Ich find das so toll, auf welche Menschen man trifft, wenn man mit dem Rad unterwegs ist.
Dann geht immer schön an der Ostsee entlang und zwar aal-glatt bis Travemünde. Das ging fix. Einmal mit der Fähre übersetzen – oh da kreuzt noch der Kollege Tom Sawyer den Seeweg. Jetzt aber. Dann zack nach Lübeck. Wobei zack ist nicht ganz richtig. Die Entfernungsangaben auf den Radwegschildern variieren ein wenig doch irgendwann komme ich auch durch die altehrwürdige Hansestadt. Es kommen irgendwann die ersten Ausläufer und plötzlich stehe ich direkt vor dem Holstentor. Da habe ich so viele Jahre in der Nähe dieser Stadt gelebt und es entsteht doch tatsächlich mein erstes Foto des Holstentors. Verrückt oder?
Heutiges Ziel ist der Schaalsee, also lassen wir die Touris am Tor zurück und geben Gas. Hinter Lübeck biege ich auf einen Kanal-Damm. Unter einer Brücke halte ich kurz, um ein Foto zu machen. Da kommt ein Ehepaar auf mich zu. Sie begutachten das Fahrrad und wir kommen kurz ins Gespräch. Dabei stellt sich heraus, dass die Frau des Paares aus Ratzeburg stammt und die Tochter des Paares in Speyer lebt. Da fahre ich doch jede Woche dran vorbei. Klein ist die Welt. Der Mann tätschelt noch liebevoll an meinen Griffen, dann trennen sich unsere Wege.
Um Ratzeburg wird es dann endlich auch mal wieder hügelig. Irgendwie muss man ja auf seine Höhenmeter kommen. In einem Waldstück unweit des Ziels erschrecke ich denn mal kurz, da mich ein Jäger wohl mit einem Alu-Reh verwechselt hat. In unmittelbarer Nähe donnert eine Kugel ins Gebüsch. Ich glaub ich tret mal was schneller in die Pedale.
Kurze Zeit später erreiche ich dann auch meinen Campingplatz. Niemand an der Rezeption. Auf dem Platz wuseln ein paar Mädels rum. Keiner kann mir sagen, wie ich mich anmelde. Doch dann kommt ein Sehender. Er verrät mir, dass es an der Rezeption Selbstanmeldebögen gibt. Darauf stehe eine Telefonnummer, bei der ich mich melde. Eine freundliche Dame verrät mir, dass „Micha“ gleich sein wird. Zudem verrät sie mir ihren Lieblingsplatz. Da er frei ist, lasse ich mich doch direkt darauf nieder.
Dann kommt Micha. Wir wollten nur kurz das Geschäftliche erledigen, doch wir quatschen uns fest. Micha kommt ebenfalls aus dem Ostteil der Republik und studiert in Eberswalde. Auch wenn ich mich jetzt unbeliebt mache, aber ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht, dass es an Eberswalde eine Hochschule gibt. Diese ist jedoch recht renommiert. Der Gedanke, dass sich immer mehr Menschen mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen, gefällt mir. Scheint so, als ticke da eine ganze Generation etwas anders.
Ich frage, ob es hier oder in der Nähe etwas zu Essen gibt. Micha beantwortet meine Frage wie folgt: „Ich kann Dir n Toast machen. Vielleicht lassen die Mädels Dir aber auch was übrig.“ Ich geh erst mal duschen. Kaum aus der Dusche ruft Micha meinen Namen über den Platz und will mir mitteilen, dass das Essen bereit sei. Für 5 Euro erbe ich einen riesig großen Teller Spaghetti mit Gemüse. Genau das richtige für diesen Abend. Danach gibt es noch eine Fritz-Cola – die Mädels beömmeln sich, keine Ahnung warum. Hängt es mit meinem Namen zusammen? Der Abend neigt sich mit Lagerfeuer und Stockbrot lustig dem Ende. Das war ein traumhafter Abend! An einem der coolsten Plätze, die ich kenne. Ich habe den Platz im Buch „Cool Camping“ entdeckt – und ja, sie haben damit so so Recht!
PS: Meine aufblasbare Solarlampe ist am Abend irgendwie der Renner.
Tag 5: Von Seedorf nach Hamburg Ochsenwerder
Kurz nach sieben aufstehen. Eigentlich sollte es kurz vor sieben sein, aber es ist so kuschelig warm im Zelt, nachdem wir bis knapp Mitternacht am Feuer gesessen haben. Duschen und den ganzen nassen Krempel einpacken. Losfahren und gleich nach dem Platz die erste heftige Steigung mitnehmen. Da freuen sich die Muskeln, wenn es so kalt direkt hochgeht. Ich merke, dass ich nicht recht in Form bin und wohl auch nicht mehr komme. Dazu gibt es heute wieder wunderschönen Nieselregen und ich darf erstmalig die vorderen Taschen in ihre Regenhüllen packen.
Dann geht es über Stock und Stein nach Lauenburg an der Elbe. Lauenburg ist wirklich total süß. Einzig das Kopfsteinpflaster ist nicht super radfahrerfreundlich. Bringt aber den Vorteil mit sich, dass man nicht so durchrast. Hinter Lauenburg geht es dann hoch zur Jugendherberge – offizieller Radweg, haha. Hier wird das erste Mal geschoben, denn mit fahren ist hier aufgrund der Steigung nichts.
Dazu der Nieselregen und so langsam wächst in mir der Gedanke, dass ich heute keine richtige Lust auf Camping habe. Dieser Gedanke festigt sich in den folgenden km, denn was jetzt kommt ist fahrtechnisch eine absolute Katastrophe: weicher nasser Waldboden. Dazu ständige Steigungen. Ich strample mir nen Ast und auf dem Tacho passiert….Na? Richtig! Nichts.
Wald zu Ende, Telefon raus. Ich suche mir eine Bett und Bike Pension. Die erste kommt direkt nach Geesthacht. Das würde meinen Plan für den Folgetag aber vollkommen über den Haufen werfen. Also weitersuchen. Da ist sie doch, eine Pension kurz vor Hamburg, in Ochsenwerder bei Herrn Motullo. Er hat nur noch ein Doppelzimmer frei. Ich buche es zum vollen Preis. Egal.
Ich radel ich. Jetzt ist der Weg richtig gut. Dennoch sind die Beine schwer wie Blei. Kurz vor meinem Ziel ruft mir ein älteres Ehepaar hinterher – sie wollten nur wissen, wo ich herkomme und wo ich denn hinmöchte. Herrlich.
Dann empfängt mich Herr Motullo wahnsinnig freundlich. Bevor ich mein Zimmer sehe, reden wir eine halbe Stunde über Fahrräder und seine Besuche in meiner Heimatstadt Wismar. Ich soll mir doch auf jeden Fall mal die 3D-Animation des Baus der Marienkirche anschauen. Er als pensionierter Lehrer hat den Film mehrfach gesehen und kann ihn nur wärmstens empfehlen.
Natürlich bekomme ich auch noch einen Tipp, wo ich am heutigen Abend essen kann. Landhaus Voigt, direkt um die Ecke. Ok, es waren knapp 2 km. Auf den ersten Blick wirkt es etwas altbacken und ist auch total leer. Ich bestelle mir eine Spargelcremesuppe und das Schnitzel nach irgendeiner Art. Mit Spiegelei und Bratkartoffeln. Wahnsinnig lecker! Der Tipp war Gold wert! So klingt der Tag ganz gemütlich aus.
Tag 6: Von Hamburg Ochsenwerder nach Cuxhaven
Verglichen mit anderen Tagen beginnt dieser recht früh. Heute habe ich aber auch noch was vor. Also gibt es um 7:00 Uhr Frühstück. Und das hat Herr Motullo wahnsinnig liebevoll hergerichtet. Ein Ei, ein Teller mit Wurst und Käse, Brötchen, Kaffee, O-Saft. Alles was der Radfahrer braucht.
Beim Frühstücken sitzt mir eine Dame gegenüber. Beim Erzählen stellt sich heraus, dass sie ebenso ein Faltrad fährt und aus der Nähe von Karlsruhe kommt und in Karlsruhe arbeitet. Die Welt ist echt ein Dorf. Sie hat heute ein Vorstellungsgespräch in Hamburg. Ich drücke ihr die Daumen. Sie fährt ein paar Minuten vor mir los. Ich mach mich kurz nach 8:00 Uhr vom Acker. Ab durch Hamburg. 13 km trennen mich vom Zentrum. Kurz vor den Deichtorhallen treffe ich die Daume vom Frühstück noch mal kurz wieder.
Dann geht es mitten durch die Stadt. Am Teufelsbrück soll es über die Elbe gehen. Auch ich verstehe irgendwann, dass es sich dabei um eine Fähre handelt. Ein paar Fußgänger eilen ein wenig in Richtung Teufelsbrück. Gut, rolle ich auch mal was schneller. Rauf auf der Fähre, schließt sich hinter mir das Tor. Was war denn das für ein Glück? Über zwei Stunden gondel ich durch Hamburg und dann bin ich auf die Sekunde an der Fähre.
In Finkenwerder geht es dann schnurstracks zu den Airbus-Werken. Und juhu, da steht ja eine Beluga. Die muss ich mir doch mal aus der Nähe ansehen. Also erst mal auf die Aussichtsplattform. Dann geht es durchs „Alte Land“ Richtung Stade. Obstbäume, so weit das Auge sehen kann. Es ist bedeckt, aber es regnet nicht. Schnell noch eine Pension klarmachen. Heute darf es das Gästehaus „Einfach gemütlich“ in Cuxhaven sein. Bis dahin sind es ja auch noch…..etliche Kilometer.
Das „Alte Land“ tut echt gut. In Osten treffe ich auf etwas total Seltenes: eine Schwebefähre. Ich weiche vom Track ab, aber ich muss mit dem Ding mitfahren. Gibt wohl nur noch recht wenige auf der Welt. Dann kommt hier und da ein kleiner Hügel oder ein Waldstück, aber im Großen und Ganzen rollt es. Würden meine Beine denn noch mitmachen.
Ungefähr 35 km vor meinem Ziel mache ich noch mal kurz Pause. Der Himmel reißt auf. Dann noch ein paar Meter und ich stehe an der Elbmündung. Die ist echt riesig. Und bei diesem Sonnenschein echt wunderschön. Dann führt der Radweg über Weideland. Beinahe wie in Holland manövriere ich durch Kühe und Schafe hindurch. Schafe liegen mitten auf dem Weg. Verdammt sind die süß. Die lassen sich durch nichts stören und das ist auch gut so.
Irgendwann kommt dann Cuxhaven und mich erwartet eine ausgesprochen freundliche „Herbergs-Mutti“ und eine vollständige Wohnung. Die Frage nach dem Restaurant-Tipp wird mit „Seute Deern“ beantwortet. Spargel-Suppe, eine Hähnchenbrustfilet-Pfanne und Erdbeeren. Ehrliches Essen zu einem ehrlichen Preis. Der Wirt des Lokals lässt der Pension schöne Grüße ausrichten. Na das mach ich doch gern.
Tag 7: Von Cuxhaven nach Varel Dangast
Frühstück gibt es kurz vor acht. Es ist ähnlich liebevoll angerichtet, wie das am Vortag. Geweckt wurde ich übrigens heute von der Sonne. Ist auch schon lange nicht mehr vorgekommen. Navi an, Strecke suchen und ich bin überrascht, dass ich nur zwei Straßen von meinem ursprünglichen Ziel entfernt genächtigt habe. Gegen 9:00 Uhr bin ich auf dem Track direkt in den Dünen. Heute sogar mit leichtem Rückenwind.
Unterwegs treffe ich auf eine Milchtankstelle. Gott ist das eine schöne Einrichtung. Zu Schade nur, dass man die Milch vor dem Verzehr abkochen muss, sonst hätte ich mir direkt einen Liter gezapft.
Dann führt mich der Weg nach Bremerhaven. Zunächst empfängt mich der Überseehafen. Dieser erstreckt sich über mehrere Kilometer und ich bin mal wieder überrascht, welche Ausmaße unser Konsumhunger annehmen kann. Tausende Container. Und ab und an fährt ein LKW mit einem einzigen Container von dannen. Der wirkt wie ein Spielzeugauto und die ganze Szenerie total bizarr.
Zu den ganzen Containern gesellen sich noch mehr Autos, die verschifft werden. Die Schiffe, die diese Aufgabe übernehmen sind riesig. Einzig die Anwesenheit des Forschungsschiffes Polarstern kann meine Laune etwas heben. Im Hafen tingelt eine Gruppe Radfahrer mit mir durch die Gegend. Die Gruppe bleibt mir durch die halbe Stadt erhalten.
In Bremerhaven findet an diesem Wochenende das See-Stadt-Fest statt. Am Deich hat ein 4-Master festgemacht. Im Hafen liegen namhafte Segelschiffe, darunter die Alexander von Humboldt. Dann irre ich zum Fähranleger. Eine Fähre soll mich über die Weser bringen. Dauert noch ein wenig.
An der Ecke ist ein „Restaurant“. Scheint ein Italiener oder irgendwas in der Art zu sein. Nach einer viertel Stunde bekomme ich dann auch die Chance eine Bestellung abzusetzen: eine Cola und ein Pizza Schiffchen. Dauert alles ewig und das Beste: Getränke und Essen werden bei unterschiedlichen Personen bezahlt. Ich schnalle ab.
Auf der anderen Seite angekommen, läuft es plötzlich wie geschmiert. Da hat mir wohl etwas Zucker gefehlt. Maßnahme für den nächsten Tag: Zuckerhaltiges Essen in die Vorratstasche packen. Ich fahre durch Nordenham. Wohl eine der trostlosesten Städte, die ich je gesehen habe. Da hilft selbst das tolle Wetter nichts.
Weiter durchs Land, nahe am Deich. Die Wege sind gut, der Gegenwind kostet auf den letzten Metern aber dann doch ordentlich Kraft. Dann kommt er, der Campingplatz. Direkt am Meer. Wilhelmshaven im Blick. Ich richte mich auf der Zeltwiese ein. Wollte zwar noch was einkaufen, aber der örtliche Edeka hat bereits geschlossen, öffnet aber am Sonntag auch. Sehr schön. Dann Duschen und was zu Essen suchen. Nach dem Essen geht es gegen 21 Uhr an den Strand von Dangast und ich bin Zeuge eines unvergleichbar schönen Sonnenuntergangs.
Ein toller Tag!
Tag 8: Von Varel Dangast nach Westoverledingen
Auch heute Morgen komme ich nur recht schwer aus den Federn. Es ist aber auch zu gemütlich und irgendwie ist der Magnet an der Liege im Urlaub zu stark. Nunja, egal. Irgendwann raff ich mich auf, sattle mein Huhn. Danach noch an den Edeka Markt. Ein Edeka Markt, der sonntags auf hat. Ein Traum. Ich besorge mir das Nötigste für den Tag, dann ab durch Friesland.
Ein freilaufender Hund meint, er müsse sein Revier und seinen Hof verteidigen, läuft ein paar Meter aufgeregt neben mir Herr und verbeißt sich dann in der vorderen Tasche. Eine Vollbremsung und anschließende maximale Beschleunigung (Wahnsinn, welche Kräfte man aktivieren kann…) bringen ihn aus dem Konzept und er trottet zurück.
Der Weg meint es heute echt gut mit mir, denn er ist hauptsächlich asphaltiert. In Zetel – nein ich hab mich nicht verschrieben, der Ort heißt so! – frage ich mich zu einem Bäcker durch und organisiere mir zunächst ein kräftiges Frühstück. Dann rolle ich weiter. Gegen 13:30 habe ich 60 km auf dem Tacho und lege an einem Gemeindehaus eine gepflegte Pause ein.
Dabei schaue ich mir noch mal den geplanten Track an und stelle fest, dass der angepeilte Campingplatz hinter Emden wohl wirklich ganz gut liegt. Bei dem Wetter ist es aber auch hinreichend egal, wo und wie der Platz liegt. So schaue ich mal nach Plötzen in der Nähe der Route, die bereits für den Folgetag geplant ist und werde fündig. Nahe Papenburg (so man 20 km Entfernung denn als nahe bezeichnen möchte) tut sich der Campingplatz „Freizeitpark am Emsdeich“ auf.
So wird aus diesem Tag Kilometertechnisch wieder ein recht entspannter Tag, denn nach knapp 98 km komme ich gegen 16:45 Uhr auf dem Platz an, baue mein Zelt auf der einsamen dafür frisch gemähten Zeltwiese auf.
Dann öffnet sich der Himmel. Allerdings nicht, um die Sonne rauszulassen, sondern um Regen in die Welt zu kippen. Eine Stunde später kann ich mich dann auch mal zum Duschen bequemen. Kann sich irgendjemand vorstellen, welche Sauerei frisch gemähtes Gras in Kombination mit Regen anrichten kann? Sehr empfehlenswert! Den Sonntag lasse ich dann bei einem richtig guten Essen und einem gepflegten Tröpfchen eines trockenen roten Weins ausklingen.
Das Leben kann so schön sein!
Tag 9: Von Westoverledingen nach Salzbergen
Die Nacht hat’s ordentlich geregnet. Das Zelt ist klatschnass. Mich erreichen WhatsApp Nachrichten, dass es im Süden des Landes wohl kräftige Unwetter gegeben hat. Hier zwischen Emden und Papenburg bricht der Himmel langsam auf und ich schütze mich sogar vor den fiesen kleinen Sonnenstrahlen. Unwetter?! Hier nicht!
Dazu kommt heute noch eine absolute Besonderheit: Rückenwind, juhu. Der treibt mich zu ungeahnt hohen Geschwindigkeiten und dank gut befahrbarer Wege rollt es ganz ordentlich. Nach knapp 25 km ereilt mich dann doch ein leichtes Hüngerchen. 800/900 Meter abseits des Weges befindet sich laut Navi eine Bäckerei. Und es hat recht. Juhu. Essen und wieder ab auf die Piste.
Der Planet drückt. In Meppen treffe ich auf einen weiteren Faltrad-Fahrer. Besser gesagt, er trifft auf mich und versucht mir zu folgen. Er heftet sich an mich und fragt, wo meine Reise heute denn hingehe. Tja, wenn ich das nur wüsste, denn ich habe mir noch keinen Campingplatz für die Nacht herausgesucht. Ich gebe ihm das Signal das ich irgendwie Richtung Rheine unterwegs sei. Er verrät mir, dass er auf das Unwetter warte. Mit Hagel und allem was dazu gehört. Kann ich irgendwie kaum glauben, da das Wetter bisher ja recht toll ist.
Hinter Meppen schaue ich dann doch mal nach links und bin dezent erstaunt, wie dunkel Wolken aussehen können. Stockfinster wird es da. Ich leg dann mal nen Zahn zu und halte prophylaktisch Ausschau nach Brücken. Die können ja bekanntlich ein ganz guter Schutz sein.
Als es beinahe gefährlich düster wird, werfe ich den Anker und postiere mich inmitten unter einer Brücke. Keine 30 Sekunden später geht es dann auch schon los. Dicke Tropfen prasseln wie aus einer Gießkanne auf den Boden. Ich sitze, trinke, esse ein wenig. Schaue anderen zu, die mir gerade eben noch freudestrahlend entgegengekommen sind, wie sie umgedreht sind pitschnass Schutz unter Schutz suchen.
Derweil befrage ich das Navi mal nach einem Campingplatz. Schleuse Fehnhaus soll es sein. Sollte in etwa 25 km kommen. 20 Minuten später ist die Welt wieder in Ordnung und es hat aufgehört zu regnen. Alles dampft. Sieht ziemlich cool aus, wenn ich ehrlich bin. Dann klart es auf. Geht doch. 10 km später halte ich erneut unter einer Brücke, um Regenkleidung anzulegen. Doch diesmal hat mich ein Schauer recht unvorbereitet getroffen und ich bin „leicht“ feucht. So klebt die Regenkleidung wenigstens auch schön am Körper.
Das Fahrrad leuchtet nun in allen Farben: Vorn gelb, hinten blau und orange. Wer mich jetzt noch übersieht sollte den Führerschein schleunigst abgeben. Dann auch noch ne Radweg-Umleitung, mitten durch eine Stadt. Ich sehe aus wie ein Schlumpf und fühle mich auch so. Ein älterer Herr folgt mir und möchte mit mir Kontakt aufnehmen. Ich habe dafür aber gerade irgendwie keinen Nerv, denn ich pelle mir schon wieder in der Sonne die Regenkleidung aus. Er meine, ich solle das Emsland in guter Erinnerung behalten. Ja, tu ich – und nehmen Sie mir es bitte nicht übel, dass ich nicht ganz so gesprächig war.
Auf zum Endspurt und zum Campingplatz. Sind ja immer noch 20 km. Jetzt zieht es sich aber. Vorbei an einem Atomkraftwerk – welch gruseliger Anblick! – werden die Wege auch wieder schlechter. Das ganze Fahrrad rappelt. Alles ist feucht, feuchter Sand an Kette und Ritzeln. Grrrrrr.
Zwei km vor meinem angepeilten Campingplatz dann echter Platzregen. Verdammte Hacke. Regenjacke ja, Hose nein. Also vollkommen durchnässt an den Campingplatz. Und dann das: Montag, Ruhetag. Außerdem nur für Dauercamper. Hallo?! Soll ich mir nen Wohnwagen schnitzen? Und nu? Ich befrage meinen Garmin nach Alternativen. Sieht aber in der Umgebung ziemlich dünn aus. 10 km zurück wäre ein Campingplatz, den ich großzügig links liegen ließ. Aber zurück fahren? Keine Chance!
Erst mal weiter fahren. Unter einer Brücke halte ich nochmal kurz an und es donnert, als ginge die Welt unter. Dazu ein paar süße Blitze – da freut sich der Radfahrer. In der Nähe gibt es einen Autohof nebst Motel. Anrufen! Keiner geht dran. Man! Riskiere ich es, bei dem Wetter hinzufahren und zu erfahren, dass kein Zimmer mehr frei ist? Mangels Alternativen mach ich das.
Also ab aufs Rad und dem Weg nach links folgen. Ein Schild: Café, Restaurant, Hotel in 150 m. Träume ich das gerade? Tatsächlich. 150 m später stehe ich vor einem Restaurant mit Terrasse. Ein Schild im Fenster: Zimmer frei. Wie ein begossener Pudel stehe ich vor der Terasse und frage nach einem Zimmer. Ja, es sei wirklich eins frei. Das wird gleich für mich hergerichtet.
15 Minuten später stehe ich unter fließend warmen Wasser – diesmal hab ich mir das Wasser von oben freiwillig ausgesucht. Weitere 20 Minuten später sitze ich bei einem Schnitzel auf der Terrasse. Heute werde ich nicht alt. Aber ich schlafe trocken. Ein Traum. An der Stelle noch einen lieben Dank vom Team „Zum Waldwinkel“. Ihr wart nicht nur wahnsinnig lieb und freundlich, sondern auch meine Retter in der Not.
Tag 10: Von Salzbergen nach Haltern am See
Frühstück ist für 8:00 Uhr geplant. Zuvor muss ich aber noch schnell an den Autohof, um meine Bar-Reserven aufzustocken und das Hotel auslösen zu können. Um 7:30 Uhr düse ich los und das Wetter macht einen verdammt guten Eindruck heute Morgen. Also Geld holen, frühstücken, Taschen putzen, Fahrrad packen.
Es kann losgehen. 150 Meter später, am Kanal, merke ich, dass ich etwas zu viel in meinen Hosentaschen habe. Also wieder zurück, Schlüssel für das Hotelzimmer abgeben. Dann also noch mal. Jetzt kann es losgehen. Diesmal komme ich etwas weiter. An einer Brücke wartet die Junior-Chefin des Hotels bereits auf mich und möchte mir den Schlüssel abnehmen. Ich musste gestehen, dass ich dies bereits bei ihrer Mutter erledigt habe.
Ich schlängele mich am Dortmund-Ems-Kanal entlang. Schönstes Wetter, noch schönerer weil absolut kräftiger Gegenwind. Also nix mit schnell heute. Irgendwann treffe ich dann auf meinen ursprünglich wenn auch für einen Tag später geplanten Track. Dem folge ich dann durch die Fahrradstadt Münster. Hier muss ich mich zunächst kurz orientieren, dann läuft alles wie geschmiert. Die haben ja sogar eigene Abbiegespuren für Radfahrer, wie cool ist das denn?! Das kenne ich aus den Wäldern, in denen ich bis hierher unterwegs war so nicht.
Also ab durch die Stadt, dann ein obligatorischer Halt beim Bäcker, um den Energiehaushalt wieder auf Vordermann zu bringen und dann weiter durch die Prärie. Haltern am See ist heute das Ziel. Bis Münster ging es ja immer schön am Fluss entlang. Nun biege ich ab in die Pampa und damit kommen ein paar meiner heiß geliebten Steigungen. Das Ganze kombiniert mit einer mäßig befahrenen Landstraße, über die Baustellen-Fahrzeuge rumpeln. Warum die hier rum fahren, erfahre ich auch einen Ort weiter: hier wird eine neue Straße in die Landschaft gezimmert – somit ist dann der Radweg auch gesperrt. Also Umfahrung suchen, gelingt aber Dank Garmin und den Karten recht einfach. Auch diese Hürde ist umschifft, Haltern, ich komme.
Ich niste mich auf einem Campingplatz ein. In der Nähe gibt es am See noch ein ziemlich cooles Restaurant. Burger und Obstsalat und natürlich ein Radler. Alles in allem hocke ich zwei Stunden in dem Restaurant – Essen war vor dem Getränk da und auch sonst läuft alles eher langsam, weil der Laden chronisch unterbesetzt ist. Egal. Es schmeckt, ich habe Zeit. Bei klarem Himmel klettere ich gegen 23 Uhr in mein Zelt.
Tag 11: Von Haltern am See nach Wuppertal, von da nach Hause
Was für eine unruhige Nacht. Heftige Regenfälle und Gewitter haben mich ab und an aus meinem doch recht tiefen Schlaf geholt. Selbst am frühen Morgen regnet es wie verrückt. Kurzzeitig dachte ich, ich könne mir das Duschen sparen, da das Wasser jeden Moment durch die Zeltdecke kommen muss. Aber Respekt, das kleine Zelt hält dicht.
Gegen 7 Uhr hört es dann langsam mal auf. Ich warte noch ne viertel Stunde, dann gehe ich duschen. Danach abbauen. So langsam aber sicher wird es zur Routine, das Zelt klatschnass einzupacken. Mittlerweile macht aber selbst die Kompressionshülle des Zelts schlapp. So sifft das Zelt meine ganze Packtasche voll. Ich packe die Taschen und mich wasserdicht ein (heute inklusive Überschuhe, sodass ich aussehe, als stünde ich kurz vor der Mondlandung).
In Haltern betrete ich exakt so eine Bäckerei – die ist sogar recht edel. Und eine Besonderheit gibt es noch: in dieser Backstube wird noch richtig gebacken. Ich traue meinen Augen ja kaum. Keine Fertigrohlinge oder sowas. Nein, der Bäckermeister schlappt höchstpersönlich mehlverschmiert durch die Bäckerei. Nach dem Frühstück befreie ich meine Beine schon mal vorsorglich vom regendichten Material.
Die ganze Landschaft ist heute in einen leichten Dunst gehüllt. Ich muss ja gestehen, dass auch das seinen Reiz hat. Dann geht es schnurstracks Richtung Ruhrgebiet. Vor Gelsenkirchen biege ich auf einen Zechenradweg, der sich wirklich verdammt gut fährt.
Ich lege bei leichtem Nieselregen einen Zwischenstopp bei einem Lidl ein und möchte noch etwas Saft und Joghurt kaufen. Dabei fällt mir ein Security Mensch auf. Der will sicherlich nur einkaufen… Der kauft aber ganz schön lange ein… Ich glaub der gehört zum Laden. Ja, nee. Hab ich in der Form so auch noch nicht gesehen und lässt darauf schließen, in welcher Gegend ich hier gelandet bin. Also raus, schnell den Joghurt futtern und dann weiter des Weges.
Bis Essen rollt es ganz gut. Kurz nach Essen, direkt an der Ruhr, regnet es sich langsam wieder ein und ich verhülle mich auch mal wieder in die freundlich schwarze Regenkleidung.
Dann kommt etwas, mit dem ich so spontan jetzt nicht gerechnet habe. Eine 150 Höhenmeter hohe Steigung – am Stück. Dazu Regen, der einem waagerecht ins Gesicht peitscht. Ich bin außen und innen klatschnass. Mein Gepäck wohl auch. Zelten? Heute? Wohl kaum.
Auf dieser Steigung, bei diesem Regen, fällt die Entscheidung, dass das Ganze in der Form keinen Spaß mehr macht. Bei Velbert sitze ich wie ein begossener Pudel in einer Bushaltestelle und suche nach Alternativen. Es gibt nur eine: ab nach Hause. Und zwar mit der Bahn. Also wird eine Bahnverbindung gesucht. Diesmal Regionalbahnen, da ich keine Lust habe, das Fahrrad ab- und wieder aufzubauen. Nächster Bahnhof: Wuppertal. Von hier aus fährt ein Zug nach Bonn, ab da nach Mainz und der Rest ist ein Kinderspiel.
Nach Wuppertal sind es nur knapp 25 km aber höhentechnisch wird das echt eine Herausforderung, sodass ich an diesem Tag wohl nicht nur meinen persönlichen Feuchtigkeitsrekord sondern auch gleich noch meinen bis dato auf dem Garmin gespeicherten Höhenrekord breche. Dafür werde ich aber mit einer Fahrt durch einen ehemaligen Kohlestollen belohnt und fahre in Summe immer noch über 100 km.
Dann ab in die Bahn. Gegen 1:00 Uhr erreiche ich mein zu Hause und habe unterwegs bereits festgestellt, dass dies die einzig richtige Entscheidung war. Einen Tag später höre und sehe ich in den Nachrichten, was alles unter Wasser steht. Mein Campingplatz oder was auch immer wäre sicher auch betroffen gewesen. Es ärgert mich nur, dass ich das Mittelrheintal nicht erleben durfte. Da ich aber nicht allzu weit davon entfernt wohne, werde ich dies an einem Wochenende fahren – dann hoffentlich ohne Regen.
Ein kurzes Fazit: Deutschland ist ein so wunderschönes wie abwechslungsreiches Land. Das war sicher nicht die letzte mehrtägige Tour. Eine Kurzreise entlang der Elster lässt nicht lange auf sich warten…
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