Tiny House - Strom und Smart Home

Deutschland im März 2020: Corona hat das Land fest im Griff und die Stimmung ist für mich komisch und zugleich nicht greifbar. Wenn mich jemand fragt, umschreibe ich diese Stimmung gern mit den Worten: "fühlt sich an wie Sommerferien und Feiertag in einem". Die Menschen gehen sich aus dem Weg - sagen die einen. Die Menschen achten wieder aufeinander - sage ich. Und ich sehe auch, dass ich in der glücklichen Lage bin, dass sich für mich nicht viel geändert hat. Ich darf weiterhin meiner geregelten Arbeit nachgehen. Die Wege hin und zurück werden meist mit dem Fahrrad absolviert. Die Versorgung mit Lebensmitteln funktioniert weiterhin und so bin ich dankbar dafür, dass viele Menschen alles dafür geben, dass auch in diesen Tag alles bestmöglich funktioniert, was wir zum Leben brauchen! Danke!

Dadurch, dass momentan viele Termine ausfallen, die sonst das Privatleben bestimmt haben, bietet sich mir die Möglichkeit, Dinge anzugehen, die ich bisher ein wenig vor mir hergeschoben habe. Die Tage scheint die Sonne recht lang und füttert meine Photovoltaik-Platten auf dem Dach meines Tiny Houses ordentlich mit Strahlen, aus denen nutzbare Energie wird. Und über diese Energie und die damit verbundenen Systeme möchte ich heute etwas schreiben. Ich nehme euch also mit in die Installation meines Hauses. Warum ich das mache? Nun, weil ich etwas Geld und etwas Zeit in die Systeme gesteckt habe und nun eine Art Tiny Smarthome habe, mit dem sich einige Dinge in Sachen Energie von alleine regeln.

Fangen wir vorn an: Auf dem Dach des Hauses sind vier Photovoltaik Platten zu je 100 Watt installiert. Der Rechenkünstler hat schon herausgefunden, dass die Platten in Summe maximal 400 Watt leisten können. Der Strom wird von einem MPPT-Solar-Laderegler (Toyo) abgenommen und in die 230Ah Batterie gespeist. Soweit so gut.

Im Haus gibt es zwei Stromkreisläufe: einmal 12 Volt und einmal 230 Volt.

  • Mit dem 12 Volt Kreislauf werden die Standheizung, die Entlüftung der Trockentrenntoilette sowie die Wasserpumpe betrieben.
  • Mit dem 230 Volt Kreislauf wird der Rest im Haus betrieben: Licht, Komfort-Elektronik wie Fernseher, Lautsprecher und die Waschmaschine.

Damit der Strom in der Batterie für den 230 Volt Kreislauf nicht ungenutzt bleibt, habe ich einen Wechselrichter verbaut. Nachdem ich einige Erfahrungen im Haus gesammelt habe, habe ich mich nun für einen Wechselrichter von Victron entschieden, speziell das Modell Phoenix 12/500. Dieser liefert im Mittel 400 Watt an Leistung. 400 Watt? Ja, das reicht - selbst für die Waschmaschine.

In unsere Breiten ist die Versorgung mit Sonnenenergie nur zwischen März und Oktober mit noch vertretbarem Aufwand zu realisieren. So ist das Haus zusätzlich an eine Landstromversorgung vom Campingplatz angeschlossen. Jetzt wird es im wahrsten Sinne des Wortes "spannend". Zur Verdeutlichung der gesamten Installation zunächst eine Grafik:

Grafik von Christiane

Hieraus wird deutlich, dass es zwei 230 Volt Stromquellen gibt. Und zwar zwei, die sich niemals in den Weg kommen dürfen. Bis vor Kurzem habe ich diese Quellen per manuellem Schalter geschaltet. Meine Idee war, dass das Haus selbsttätig entscheiden soll, wann es welches Stromquelle nutzt. Nämlich: zwischen März und Oktober Strom aus der Batterie nehmen, wenn diese eine ausreichende Ladung hat.

Dazu habe ich zuerst eine Netzvorrangschaltung installiert. Dieser Automat von Fraron ist speziell für den Einsatz mit Wechselrichtern konzipiert. Der Wechselrichter ist am Master-Eingang angeschlossen, während der Landstrom am Slave-Eingang angeschlossen ist. Weiterhin ist die Netzvorrangschaltung programmierbar. Sie prüft die an der Batterie anliegende Spannung. Unterschreitet die Spannung 11,5 Volt, schaltet die Vorrangschaltung um und nutzt fortan den Landstrom. Hat die Batterie einen Ladezustand von 13 Volt, so darf die Vorrangschaltung den Strom aus der Batterie wieder entnehmen. Viele werden jetzt aufmerken: ouha, 11,5 Volt ist aber wenig. Ja, das ist es und es sei angemerkt, dass dies nur die physikalische Trennung ist. Ich habe noch eine andere Logik vorgeschaltet, die früher abschaltet. Somit ist die Netzvorrangschaltung nur mein doppelter Boden - dieser funktioniert jedoch zuverlässig.

Kommen wir zur nächsten Station: der Wechselrichter von Victron ist erstaunlich kommunikationsfreudig. So kann er - den entsprechenden Dongle vorausgesetzt - per Bluetooth kommunizieren. Und er kann mit einem VE.direct Kabel (so heißen die) mit dem Ökosystem von Victron kommunizieren. Dazu gibt es spannende Systeme, die Victron anbietet, die alle erdenklichen Informationen und Schaltmöglichkeiten grafisch anzeigen und bedienbar machen. Diese Systeme haben allesamt nur einen Haken: sie sind verhältnismäßig teuer. Nachdem ich mich etwas mit der Materie auseinandergesetzt habe, habe ich herausgefunden, dass Victron ein großer Unterstützer im Bereich Open Soruce ist. Und so hat das Unternehmen ein Stück Software für den Einplatinen-Computer Raspberry Pi zur Verfügung gestellt. Heruntergeladen, installiert und siehe da: ich habe Verbindung zu meinem Wechselrichter und kann den per Oberfläche in einem Webbrowser steuern:


Jetzt fehlen mir eigentlich nur noch die Informationen aus dem Solar-Laderegler. Kurze Recherche und auch hier bin ich auf ein spannendes Projekt gestoßen: die Solaranzeige bietet ebenfalls ein vorgefertigtes Image für den Einplatingen-Computer an. Also noch einen zweiten geholt, ein USB-Kabel vom Laderegler an den Raspberry Pi und nach kurzer Konfiguration werden Echtzeit-Daten in einem sehr ansehnlichen Grafana-Interface zur Verfügung gestellt:

Jetzt fehlt nur noch etwas Intelligenz. So habe ich auf dem Raspberry Pi mit der Solaranzeige noch ein Heimautomatisierungsprodukt, den Home Assistant, installiert:

Dieser ist das Bindeglied zwischen smarten Steckdosen, Thermometer, Heizung und Wechselrichter - quasi das Hirn meines Hauses. Die Installation vom Home Assistant ist schnell erledigt. Da sich aber so viele Möglichkeiten bieten, braucht es etwas Zeit, die Einrichtung abzuschließen. Stand jetzt habe ich eine Installation, die mir viele Dinge abnimmt. Dazu zählen:

  • Alle WLAN-Steckdosen schalten ein, wenn ich mich mit meinem Smartphone im Haus befinde und alle WLAN-Steckdosen schalten sich ab, wenn sich mein Smartphone vom Haus entfernt.
  • Wenn ich nicht da bin, dann schaltet sich nachts ein Außenwandlüfter für ein paar Stunden ein, um frische Luft ins Haus zu pusten.
  • Wenn die Temperatur im Haus unter 10 Grad fällt, gibt es eine Meldung aufs Smartphone und es wird eine E-Mail an ein E-Mail-to-SMS-Gateway geschickt. Diese enthält den Befehl, die Standheizung auf eine gewisse Temperatur und eine Laufzeit einzustellen.
  • Wenn die Spannung in der Batterie für einen Zeitraum von 5 Minuten unter 12 Volt fällt, dann schaltet der Home Assistant den Wechselrichter aus
  • Wenn die Spannung der Batterie für einen Zeitraum von einer halben Stunde über 14 Volt ist, geht das System davon aus, dass die Batterie voll geladen ist und schaltet den Wechselrichter zu. Aber nur zwischen März und Oktober.
  • Und so kann man sich unzählige andere Szenarien ausdenken, um Dinge im Haus automatisiert zu steuern. Faszinierend ist für mich, dass all das ohne großen finanziellen Aufwand möglich ist. So hält Smart Home im Tiny Home Einzug.

Wer an den Konfigurationen interessiert ist, kann mich gern anschreiben. Die Kontaktmöglichkeiten sind im Blog verlinkt.

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